Diagnose "PTSD" in nicht-westlichen Kulturen
Updated: Jan 7, 2021
Die Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung" in nicht-westlichen Kulturen:
Eine Fehldiagnose?
Autorin: Birgit Eißner (2011)
Abstract
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wurde erstmals 1980 im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders III (DSM III) aufgeführt. Binnen weniger Jahre wurde sie zur „Standarddiagnose, zur „lingua franca seelischen Leidens“[1]. Dies gilt auch für den Kontext der Entwicklungshilfe. Aus medizinethnologischer Perspektive gibt es jedoch viele Einwände gegen die Übertragung psychologischer und psychiatrischer Diagnosen aus einem kulturellen Kontext in einen anderen. In diesem Artikel soll aufgezeigt werden, dass sich die westlich-medizinischen Diagnosekriterien nicht dazu eignen, seelische Erkrankungen bei Menschen aus anderen Kulturen sicher zu erkennen. Auch soll hinterfragt werden, ob die von internationalen Hilfsorganisationen angebotenen psychotherapeutischen Behandlungsmethoden die emotionalen Bedürfnisse der Menschen befriedigen können und ob diese einen positiven Effekt auf ihr seelisches Wohlempfinden haben. Abschließend werde ich versuchen auf die Frage, wie man im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) am besten mit den Folgen traumatischer Erfahrungen umgehen kann, mögliche Antworten zu geben.
APA American Psychiatrist Association DSM Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders EZ Entwicklungszusammenarbeit ICD-10 Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme; hier relevant: Kapitel V, „Psychische und Verhaltensstörungen“ PTBS Posttraumatische Belastungsstörung PTSD Post-Traumatic Stress Disorder NRO Nicht-Regierungsorganisation WHO Weltgesundheitsorganisation
Traumatherapeutische Maßnahmen als Kernelement humanitärer Hilfe
Während ursprünglich einmal die Programme von Entwicklungshilfeorganisationen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) nahezu ausschließlich darauf ausgerichtet waren, den Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern medizinische Grundversorgung, Technik, sowie das dazugehörige Know-how zur Verfügung zu stellen, präsentieren sich die Programme inzwischen deutlich verändert. Die auffallendste Veränderung hat dabei im Bereich der humanitären Hilfe stattgefunden. Alle Organisationen, seien sie staatlich oder privat, führen inzwischen Projekte zur psychotherapeutischen Betreuung der Opfer von Kriegen und (Natur-) Katastrophen, sowie zur Stärkung und Wiederherstellung des psychosozialen Gleichgewichts von Gemeinschaften im Programm[2]. Dies war bis vor wenigen Jahren nicht der Fall: die psychischen Schäden, die die Überlebenden davontrugen, waren in der EZ bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts nicht thematisiert worden, oder sie waren bestenfalls von sekundärem Interesse[3].
—Woran liegt es, dass sich Projekte mit psychologischen Inhalten binnen weniger Jahren von „nicht existierend“ zu einer festen Größe in der humanitären Hilfe entwickelt haben? Dafür gibt es mehrere Gründe. Genannt wird einerseits die Zunahme der durch Naturkatastrophen ausgelösten humanitären Notsituationen. Beispiele für hierfür sind die verheerenden Folgen tropischer Wirbelstürme (wie Hurricanes und Taifune), extremer Dürren, sowie Fluten. Nicht zuletzt verursachten die Erdbeben und Tsunamis der letzten Jahre in der Karibik, Südamerika und Asien ein bis dahin für unvorstellbar gehaltenes Ausmaß an menschlichem Leid und Elend. Westliche Hilfsorganisationen reagierten darauf verstärkt mit der Bereitstellung umfassender psychologischer Hilfe. Sogenannte „psychologische Erste Hilfe-Maßnahmen“ wie die Methode des Debriefing sind dabei genauso selbstverständlich wie die daran anschließende psychotherapeutische Betreuung der Betroffenen in mittel- und langfristigen Programmen. Es verwundert inzwischen niemanden mehr, dass nach jedem Unglück — sei es der Tsunami in Südostasien im Dezember 2004, das Drama um die Minenarbeiter in Chile, oder das Erdbeben in Haiti —binnen kürzester Zeit eine ganze Armada an Trauma-Experten in Erscheinung tritt[4].
Schwerwiegender noch für die Zunahme psychotherapeutischer Projekte in Bereich der Entwicklungszusammenarbeit wiegt die Veränderung der weltpolitischen Situation seit Anfang der 1990er Jahre. Das Ende des Kalten Krieges führte zwar zu einer Abnahme zwischenstaatlicher Konflikte — dem gegenüber steht jedoch eine massive Zunahme an innerstaatlichen Konflikten wie Bürgerkriegen, Sezessionskriegen oder religiösen Kriegen[5]. Auch der Charakter dieser Kriege unterscheidet sich deutlich von denen „herkömmlicher“ bewaffneter Konflikte[6]. Es stehen sich nicht mehr die Soldaten zweier verfeindeter Länder gegenüber, sondern oft liegt eine ständig veränderliche, und daher schwer überschaubare, Gemengelage an unterschiedlichen militärischen und paramilitärischen Akteuren vor. Des Weiteren finden Kriege nicht mehr nur in Grenzgebieten statt, sondern häufig im Land selbst und gehen mitten durch die Bevölkerung — die Schäden in der Gesellschaft sind massiv. Auch werden Kriege zunehmend häufiger systematisch gegen die Zivilbevölkerung geführt. Die systematische Vergewaltigung von Frauen, die Verfolgung und Ermordung ethnischer Minderheiten und die Rekrutierung von Kindern als Soldaten sind hierfür bittere Belege[7]. Die Maßnahme der Traumabearbeitung gilt insbesondere hier, in diesen komplexen Nachkriegssituationen, „als hoffnungsvolles Instrument, um zu einer friedlichen gesellschaftlichen Transformation beizutragen […] und ist daher zu einem zentralen Bestandteil diverser EZ-Programme geworden“[8].
Umso frustrierender ist es, dass Erfolge oft ausbleiben. Es stellt sich daher die Frage nach möglichen Gründen. Aufbauend auf der Tatsache, dass allen psychotherapeutischen Maßnahmen die Annahme zugrunde liegt, dass eine PTBS vorliegt, möchte ich im Folgenden argumentieren, dass sowohl die Diagnose PTBS, als auch die Methoden zu ihrer Behandlung zu speziell westlich sind, um Menschen aus anderen kulturellen Kontexten bei der Bewältigung ihres Leidens eine Hilfe darstellen zu können.
Die Entstehung der „Posttraumatischen Belastungsstörung“
Um die Entstehung und Verbreitung des Trauma-Konzeptes und der PTBS zu verstehen, ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass wir es hierbei mit einem historisch betrachtet neuem Krankheitsphänomen zu tun haben. Bis vor ca. 130 Jahren waren in Europa seelische und körperliche Erkrankungen infolge eines erschütternden Erlebnisses so gut wie unbekannt, bzw. wurden nicht als Krankheit wahrgenommen. Auch waren, als um 1870 herum in Europa die ersten Berichte über solche rätselhaften Erkrankungen auftauchten, die Symptome andere als die heute definierten.
Grundsätzlich bedurfte es damals der Entstehung eines gesellschaftlichen Verständnisses dafür, dass als schrecklich empfundene Ereignisse nachhaltend schädigende seelische Folgen hervorrufen können, die als Symptome einer Krankheit zu bewerten sind. Tatsächlich war es unter Fachleuten in Europa und den USA bis 1980 höchst umstritten, ob die vielfach beobachteten Folgereaktionen auf beispielsweise Kriegserlebnisse tatsächlich eine „echte“ Krankheit beschrieben. Erstmals waren diese Symptome bereits Ende des 19. Jahrhunderts im Kontext von Industrieunfällen dokumentiert worden. Es gab zunehmend mehr Berichte über Arbeiter, die nach solchen Unfällen zwar von ihren körperlichen Verletzungen genesen waren, aber dennoch eine Reihe von körperlichen Symptomen wie bspw. Lähmungen und Zittern entwickelten, die sie dauerhaft arbeitsunfähig machten. Diese rätselhaften Symptome wurden ursprünglich als „Hysterie“ klassifiziert, aber es dauerte nicht lange bis sie, in Anerkennung eines traumatischen Erlebnisses als Auslöser der Krankheit, in „Traumatische Neurose“ umbenannt wurden. Dass diese Krankheit ausgerechnet dann bei immer mehr Arbeitern auftrat, als ein neues Arbeitsrecht in Kraft trat, das Rente bei Arbeitsunfähigkeit in Aussicht stellte, machte die Situation nicht einfacher — weder für die Betroffenen selbst, noch für die Ärzte. So stand von Anfang an zur Debatte, ob nicht gerade die Aussicht auf mögliche finanzielle Kompensationen das Simulieren von Arbeitsunfähigkeit für die Arbeiter attraktiv machte[9]. Der Ruch des Simulantentums war daher von Anfang an untrennbar verbunden mit der „Traumatischen Neurose“ und haftete auch noch während des Ersten und Zweiten Weltkrieges Soldaten an, die aufgrund ihrer Kriegserfahrungen traumatisiert, und somit kampfunfähig geworden waren[10].
Der Anstoß zur Neuinterpretation kam schließlich aus den USA. Dort führte die massenhafte Erkrankung von Vietnam-Veteranen zu einer allmählichen Umdeutung der Erkrankung. Reizbarkeit, Unruhe, Alpträume, überhöhte Wachsamkeit (Hypervigilanz), wiederkehrende belastende Erinnerungen an das schreckliche Ereignis (intrusive flashbacks), sowie viele weitere Symptome mehr hatten zur Folge, dass etliche Veteranen nach ihrer Rückkehr vom Krieg nicht mehr am normalen Alltagsleben teilnehmen konnten. Dass diese Symptome inzwischen nicht mehr vorrangig mit dem Stigma der Feigheit oder des Simulantentums behaftet waren, sondern zunehmend als „echte“ Krankheit akzeptiert wurden, hatte mehrere Gründe. Zum einen hatte sich der gesellschaftliche Kontext seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges deutlich verändert. Das Verständnis seelischer Krankheiten war inzwischen weithin durch die Theorien der Psychoanalyse geprägt, wonach seelisches Leiden infolge von Traumata als ernstzunehmende, aber auch behandelbare Erkrankung beschrieben wurde. Zum anderen spielten politische und moralische Diskurse wie die Ablehnung des Vietnam-Krieges in den USA eine zentrale Rolle bei der Neubewertung psychischer Erkrankungen, die infolge schrecklicher Erfahrungen auftraten[11]. Die schiere Zahl der an den oben genannten Symptomen leidenden Veteranen war eine nicht zu leugnende gesellschaftliche Realität geworden. Statt solche Soldaten wie früher unter den Generalverdacht des Simulantentums zu stellen, wurde ihr seelisches Leiden nun als typische, wenn nicht gar unvermeidliche Krankheit infolge von Kriegserfahrungen betrachtet und daher als Argument gegen den Krieg verwendet. So wurde schließlich nach langjährigen Debatten 1980 die Diagnose „Posttraumatische Belastungsstörung“ in die dritte Auflage des Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders, DSM III, aufgenommen[12]. Aus einer umstrittenen und stigmatisierten Klassifizierung traumatisierter Menschen als „Hysteriker“ oder „Simulanten“ war schließlich eine offiziell anerkannte Krankheit geworden[13].
Weil die Symptome der PTBS nicht nur in den USA, sondern auch in Europa dokumentiert waren, ging man wie selbstverständlich davon aus, dass die PTBS auch in anderen Teilen der Welt existiere. Hinzu kam die Überzeugung, dass die der Psychologie und Psychiatrie zugrunde liegenden Modelle der menschlichen Seele, ihrer Erkrankungen, sowie der Methoden zu ihrer Heilung universal gültige Gesetzmäßigkeiten beschrieben. Dass die PTBS in anderen, nicht-westlichen Kulturen nicht dokumentiert war, wurde mit dem dortigen Mangel an medizinischem und psychologischem Fachwissen erklärt. So gesehen bedurfte es in diesen Ländern lediglich der Ausbildung von Fachpersonal nach westlich-medizinischen Maßstäben, bis die Menschen dort selbst in der Lage sein würden, seelische Erkrankungen „korrekt“ zu diagnostizieren und zu behandeln. Es war nach der offiziellen Anerkennung der PTBS als Krankheit im Jahr 1980 daher nur noch eine Frage der Zeit, bis sie auch im Kontext humanitärer Hilfe in Erscheinung treten würde. Dies geschah 1994, als die Weltgesundheitsorganisation WHO die PTBS erstmals in ihrem Katalog zur Erfassung seelischer Krankheiten, ICD-10, aufführte.
Dass die Diagnose „Posttraumatische Belastungsstörung“ inzwischen gerade im Kontext der Entwicklungshilfe zur „Standarddiagnose, zur lingua franca seelischen Leidens“ geworden ist, erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass Kriege, Verfolgung, sexualisierte Gewalt sowie Naturkatastrophen als besonders traumatisierende Erfahrungen gelten, nur logisch[14].
Theoretische Positionen bezüglich der Universalisierung des Traumas im Kontext
der Entwicklungszusammenarbeit
Dennoch ist die universale Verwendung dieser Diagnose, und vor allen Dingen die Behandlungsmethode der Gesprächstherapie zur Heilung einer PTBS, unter Fachleuten keineswegs unstrittig. Traditionell existieren im Themenbereich „Trauma“ und „Kultur“ zwei Positionen: Während von Seiten der transkulturellen Psychiatrie der Standpunkt vertreten wird, dass eine kulturübergreifende, universale Erfahrung von „Trauma“ nicht existiere, behaupten die Anhänger der universalistischen Position das Gegenteil: „Schilderungen von Überlebenden sind immer Schilderungen des universalen Trauma-Archetypus“[15].
Ungeachtet der fortdauernden theoretischen Debatten setzte sich letztere Position aufgrund der oben erwähnten Anerkennung der PTBS als Krankheit und ihrer Aufnahme in das internationale Klassifikationssystem ICD-10 weltweit durch. Dies hatte zur Folge, dass auch die bei uns üblichen psychotherapeutischen Methoden zur Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen weltweit zum Einsatz kamen[16].
Psychotherapeutischer und Psychosozialer Ansatz
Der allerdings unbefriedigende Verlauf vieler psychotherapeutischer Projekte führt derzeit zu einer erneuten Problematisierung von Kultur, Trauma und Therapie[17]. Ein besonders eindringliches Beispiel für das Misslingen solcher Projekte ist aus Sierra Leone dokumentiert. Als ehemalige Kindersoldaten dort gefragt wurden, was ihre vordringlichsten Wünsche seien, nannten sie: Ausbildung, Arbeitsmöglichkeiten, und wirtschaftliche Sicherheit für sich und ihre Familien. Trotz dieser eindeutigen Aussagen wurden von den westlichen Hilfsorganisationen aber Trauma-Programme angeboten. Die tatsächlich geäußerten Bedürfnisse der Kinder wurden also schlicht ignoriert und stattdessen Programme angeboten, die der im Westen verbreiteten Überzeugung einer zwangsläufig vorhandenen Traumatisierung und therapeutischen Behandlungsbedürftigkeit von ehemaligen Kindersoldaten entsprachen. Es überrascht nicht, dass die Behandlungsangebote von den ehemaligen Kindersoldaten nicht angenommen wurden. Die Interventionen scheiterten also, weil sie nicht auf die explizit geäußerten Bedürfnisse und Prioritäten der Kinder reagierten, zu deren Unterstützung sie doch eigentlich konstruiert waren[18]. Ebenso wenig überrascht bei einer solchen Blindheit und Taubheit für die tatsächlichen Bedürfnisse die harsche Kritik an solchen Programmen: “[…]westliche therapeutische Methoden [werden für] unangemessen gehalten, nutzlos in den besten Fällen, Schaden anrichtend in den meisten anderen Fällen”[19].
Ein weiterer, häufig genannter Kritikpunkt ist der, dass psychotherapeutische Maßnahmen auf das Individuum fokussieren, während in vielen anderen Kulturen jedoch das Kollektiv die Grundlage für Wohlbefinden oder Unwohlbefinden ihrer einzelnen Mitglieder bildet. Damit es einem Individuum gut geht, muss es also der Gemeinschaft gut gehen. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde der psychosoziale Ansatz entwickelt. In ihm soll der Bedeutung der Gemeinschaft durch die Durchführung sogenannter community programmes Rechnung getragen werden, welche die Stärkung bzw. Wiederherstellung des sozialen Gleichgewichtes einer Gemeinschaft zur Aufgabe haben. Zudem wird gleichzeitig versucht, kultursensible Hilfsangebote zu machen, indem Elemente traditioneller Überzeugungen und Denkweisen in die Programme integriert werden.
Eine Schwäche des psychosozialen Ansatzes liegt darin begründet, dass sein Konzept nicht hinreichend definiert ist. Wie nun tatsächlich die in einer Gemeinschaft gelebte „Kultur“ sich in konkrete Handlungsanweisungen innerhalb der Programme übersetzen soll, bleibt unklar. Ein Versuch besteht beispielsweise darin, die heilende Kraft lokaler Rituale zu nutzen. Der Glaube an die heilenden Eigenschaften von Ritualen ist im Westen weit verbreitet; wie jedoch schon Whyte hervorhob, besteht aber die Gefahr, dass ihrer Rolle hinsichtlich der Eigenschaft, Probleme zu lösen, überschätzt wird[20]. Auch werden Heilungsrituale traditionellerweise nicht zur „Behandlung“ ganzer Bevölkerungsgruppen (wie die der Kindersoldaten) durchgeführt. Insgesamt besteht nach Einschätzung Kleinmans die „Gefahr der Romantik in der Medizin: traditionelle Heilungsmechanismen werden nicht zu besseren Ergebnissen führen“[21]. Tatsächlich zeigte sich, dass sowohl Heilungsrituale, als auch andere, nicht-rituelle kultureigene Mechanismen wie die traditionellen Schlichtungsgerichte gachacas aus Ruanda nicht automatisch dazu geeignet sind, die dort vorhandenen Probleme zu lösen. Das liegt daran, dass solche Schlichtungsmechanismen lediglich zur Lösung von Streitigkeiten auf viel kleinerer Ebene, beispielsweise der Dorfebene, eingesetzt werden. Der Aspekt der Maßstäblichkeit war also hinsichtlich so gravierender Probleme wie die in Ruanda durch den Völkermord entstandenen beim Versuch der Übertragung von Schlichtungsmechanismen außer Acht gelassen worden. Ein weiterer Kritikpunkt ist der, dass in der EZ viele Projekte als „psychosozial“ bezeichnet werden, die das Attribut „kultursensibel“ lediglich in dekorativer Weise verwenden. So kritisiert Eyber, dass manche Therapiesitzungen für Flüchtlinge als kulturangemessen („culturally appropriate“) angepriesen werden, obwohl sie lediglich mit einem Gebet oder einem Lied eröffnen[22]. Aufgrund der mangelnden inhaltlich-konzeptuellen Schärfe des psychosozialen Ansatzes und des Mangels an klaren Handlungsanleitungen werden daher letztlich doch wieder die Methoden der Psychotherapie umgesetzt (Löchelt 2010).
Insgesamt besteht beim psychosozialen Ansatz also die Gefahr der Überschätzung und Romantisierung traditioneller Bewältigungsmechanismen[23]. Überdies erscheint er wie ein Trojanisches Pferd: äußerlich präsentiert er sich als kultursensibel und als gemeinschaftsorientiert, in seinem Inneren transportiert er jedoch weiterhin westliche, psychotherapeutische Methoden.
Der medizinethnologische Ansatz
Die WHO weist schon lange auf die Gefahr hin, dass im Entwicklungshilfekontext hinsichtlich von Diagnosen seelischer Krankheiten ein hohes Risiko von Fehldiagnosen besteht. Insbesondere kritisiert sie die unter Hilfsorganisationen verbreitete, reflexartige Diagnosestellung „PTBS“ nach Katastrophen: „Ein Problem, das die WHO beschäftigte, waren Programme, die ausschließlich auf die PTBS fokussierten, [und] von der die WHO glaubt, dass sie fälschlicherweise für die weitverbreitetste seelische Erkrankung nach einem Unglück gehalten wird. Sie warnte andere Hilfsorganisationen davor, keine wertvolle Zeit mit dem Aufbau von PTBS-fokussierten Angeboten zu verschwenden […][24],[25]. Damit unterstützt die WHO den medizinethnologischen Standpunkt, demzufolge die postulierte Universalität der PTBS, und infolgedessen auch die Behandlungsmethode der Psychotherapie, im nicht-westlichen Kontext grundsätzlich für problematisch gehalten werden.
In der Ethnomedizin ist bekannt, dass weltweit je eigene Systeme zum Klassifizieren, Diagnostizieren und Heilen von Krankheiten —seien sie nun körperlich oder seelisch bedingt— existieren. Die westliche Nosologie ist nur eine von vielen kulturspezifischen medizinischen Krankheitslehren, die weltweit existieren. Sie wird in der Ethnomedizin daher nicht als Metasystem zur Klassifizierung von Krankheiten verwendet. Diese Unterscheidung mag auf Anhieb irrelevant erscheinen. Sie hat jedoch weitreichende Folgen, wenn es um die Diagnose und Behandlung seelischer Krankheiten geht. Denn während die westlich-medizinischen Diagnose- und Behandlungsmethoden hinsichtlich körperlicher Erkrankungen fraglos weltweit funktionieren, darf daraus jedoch nicht gefolgert werden, dies auch auf den Bereich seelischer Leiden und Erkrankungen zutrifft.
Das liegt daran, dass seelische Erkrankungen immer in ein System von Bedeutungen eingebettet sind, das je nach Kultur und Weltanschauung sehr unterschiedlich ist. Die westliche Herangehensweise an „Trauma“ trennt das Trauma jedoch von diesen kulturellen Bedeutungssystemen von Leid. Indem das „Trauma“ wie eine eigenständige, von kulturellen Diskursen unabhängige Entität behandelt wird, entsteht eine Blindheit gegenüber den Bedeutungen, die Leiden in einer jeweiligen Gesellschaft hat. Diese Blindheit besteht nicht nur gegenüber nicht-westlichen Diskursen von „Leiden“, sondern auch gegenüber der westlichen Kultur. Es mangelt Westlern gleichermaßen wie nicht-Westlern, die eine westlich-wissenschaftliche Ausbildung durchlaufen haben, grundlegend an der reflexiven Einsicht, dass selbstverständlich auch der westliche Trauma-Diskurs in ein System von westlichen kulturellen Bedeutungen eingebettet ist. Das gilt allgemeiner noch für alle Diskurse über seelische Krankheiten. Summerfield betont: „Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass der westliche Diskurs seelischer Krankheiten zentrale Elemente der westlichen Kultur einführt, einschließlich einer Theorie über die menschliche Natur [und] eine Definition von „Person“ […]. Nichts davon ist universal“[26]. Ein Beispiel mag diese Aussage veranschaulichen. Gilt in westlichen Kulturen die Depression als ernstzunehmende seelische Erkrankung, so wurde sie in Japan bis vor wenigen Jahren als ein Wesenszug verstanden, der hoch geschätzte charakterliche Eigenschaften wie Tiefsinn und Stärke anzeigt[27]. Indem in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts in Japan jedoch systematisch das westliche Verständnis von Depression als einer behandlungsbedürftigen Krankheit eingeführt wurde, wurde dieser Gemütsverfassung eine neue, pathologisierende Bedeutung oktroyiert — mit der Folge, dass die Depression in Japan inzwischen eine regelrechte Volkskrankheit ist[28]. Durch die Einführung des westlichen Verständnisses von „seelischer Krankheit“, hier der Depression, wurde also auch gleichzeitig ein neues Konzept über die menschliche Natur in Japan eingeführt. Ob den „Depressiven“ in Japan, die sich seither als „seelisch kranke Personen“ statt als besonders tiefsinnige Menschen verstehen, mit diesem neuen Selbst-Verständnis gedient ist, ist zu bezweifeln.
Ein immer wieder vorgebrachtes Argument für die universale Gültigkeit der westlichen Nosologie auch hinsichtlich seelischer Krankheiten ist, diese seien fraglos universal auftretende Erkrankungen, da ihre Existenz ja wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Dieses Argument ist gleichzeitig richtig und falsch. Richtig ist es insofern, als die Existenz z.B. der PTBS tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen und durch empirische Daten belegt ist. Dies gilt jedoch nur für den westlichen Kontext. Der Fehler dieser Argumentation liegt daher in der Verwechslung von Deduktion und Induktion: es wurde nicht etwa aus universaler (allgemeiner) Beobachtung von stressbedingten Erkrankungen eine allgemeine Theorie der kulturell unterschiedlichen (speziellen) Manifestationen von Stress abgeleitet, sondern tatsächlich wurde eine lokale (spezielle) Manifestation von Stress beobachtet (PTBS) und dann als universal postuliert.
Betrachtung der Posttraumatischen Belastungsstörung aus medizinethnologischer Perspektive
Seelisches Leiden drückt sich also je nach Kultur in unterschiedlichen Symptomen aus. Diese können innerhalb einer jeweiligen Kultur als Krankheit definiert werden, aber sie müssen nicht zwangsläufig als solche aufgefasst werden, wie das o.g. Beispiel der Depression in Japan verdeutlichte. Manifestationen seelischen Leidens sind nicht nur kulturgebunden, sondern überdies abhängig vom Zeitgeist, bzw. historischen Kontext, wie das Beispiel der Depressionen in Japan ebenfalls belegt. Es existiert eine Vielzahl an Manifestationen seelischen Leidens in nicht-westlichen Kulturen, die dort anhand eigener (indigener) Krankheitskonzepte beschrieben werden. Wird seelisches Leiden in nicht-westlichen Kulturen als eine bestimmte, dort traditionell bekannte Krankheit klassifiziert, so beinhaltet das Krankheitsbild zwangsläufig neben einigen aus der westlich-medizinischen Nosologie bekannten Symptome auch andere Symptome, eben weil sich seelisches Leiden kulturgebunden manifestiert. In der Ethnomedizin existiert hierfür der Begriff culture bound syndrome. Damit werden Krankheitsbilder bezeichnet, die nur in einer bestimmten Kultur auftreten, in anderen Teilen der Welt jedoch unbekannt sind. Einige Beispiele hierfür sind koro[29], shin-byung[30], dhat[31], susto[32] oder latah[33]. — Da nicht nur die eben genannten Krankheiten, sondern auch die Posttraumatische Belastungsstörung in weiten Teilen der Welt unbekannt ist, wird in der Medizinethnologie konsequenterweise auch dafür argumentiert, die PTBS als ein culture bound syndrome zu betrachten[34].
Aufgrund des o.g., weitverbreiteten logischen Fehlschlusses, die westliche Nosologie stelle ein universal gültiges Metasystem zur Klassifizierung auch seelischer Erkrankungen dar, wird die fehlerhafte Klassifizierung nicht-westlicher culture bound syndromes unter den Parametern der westlichen Nosologie fortgeführt. Das erklärt auch, warum die Symptome von culture bound syndromes wie susto und latah den Kriterien der westlichen Nosologie folgend interpretiert und in der Folge typischerweise als Variationen einer PTBS klassifiziert werden. An die Fehldiagnose „PTBS“ schließt wiederum ein weiterer Fehler an: Da im Westen die gängige Praxis zur Behandlung der PTBS in psychotherapeutischen Maßnahmen liegt, werden diese auch hinsichtlich der Behandlung von (den für PTBS gehaltenen) culture bound syndromes für sinnvoll und hilfreich gehalten. Aber auch diese Annahme bestätigt sich in der transkulturellen Praxis nicht. Psychotherapien erweisen sich ganz im Gegenteil oftmals als kontraproduktiv und den Heilungsprozess gefährdend. Um das Risiko zu verdeutlichen, das der Universalisierung westlicher Diagnoseschemata und der Anwendung psychotherapeutischer Behandlungsmethoden innewohnt, möchte ich gerne einen genaueren Blick auf die beiden oben erwähnten CBS susto und latah werfen und sie mit der PTBS vergleichen. Die Idee zu diesem Vergleich kam mir durch Sebastian von Peters Artikel „The Experience of 'Mental Trauma' and its Transcultural Application“, in welchem er Gemeinsamkeiten zwischen latah und der PTBS aufweist, jedoch davor warnt, diese Erkrankungen miteinander gleichzustellen[35].
Betrachtung der Culture Bound Syndromes susto und latah und deren Interpretation als PTBS
In weiten Teilen Südasiens verbreitet, beschreibt latah die Reaktion auf tragische Ereignisse wie den Tod eines Kindes. Übersetzt bedeutet latah so viel wie „Verlust der Seele“ und manifestiert sich in auffälligen Verhaltensweisen wie dem unkontrollierten Äußern von Obszönitäten und Phobien[36]. Die betroffenen Personen —meistens Frauen— verhalten sich also untypisch für sie selbst und überdies auch sozial inakzeptabel. Erklärt wird dieses Verhalten durch die Schwächung des semangat, was am ehesten mit der „Stärke“ oder der „Kraft, die einer Person innewohnt und ihr Integrität und Vitalität verleiht“, übersetzt werden kann[37]. Ist also das semangat einer Person geschwächt, können böswillige Geister die Kontrolle über die betroffene Person übernehmen und sie zu den o.g. Verhaltensweisen zwingen. Ein CBS aus einem anderen kulturellen Umfeld, das Parallelen zu latah aufweist, ist susto. In weiten Teilen Süd- und Mittelamerikas verbreitet, beschreibt susto ähnlich wie latah einen (vorübergehenden) Verlust der Seele. Übersetzt heißt es so viel wie „tiefe Furcht“ und ist durch Symptome wie Ängste, Schlaflosigkeit, Übererregbarkeit, Muskelzuckungen und Teilnahmslosigkeit gekennzeichnet. Wie latah, so tritt auch susto typischerweise nach einem tragischen Ereignis auf und betrifft ebenfalls häufiger Frauen als Männer.
Die Maßnahmen, die traditionell zur Heilung von latah ergriffen werden, liegen in Ritualen zum Exorzieren des fremden Geistes, der dem Körper der betroffenen Person vorübergehend innewohnt und sie so heimsucht. Auch im Falle von susto wird der Körper der betroffenen Person anhand von Maßnahmen gereinigt, die wir als rituelle Maßnahmen charakterisieren würden. Dazu gehört beispielsweise der Verzehr von bestimmten Pflanzenteilen wie Orangenblüten und Brasilholz (Caesalpinia echinata), oder auch das Trinken eines Suds aus in Essig gekochten Feigen oder Marijuana-Tees[38]. Während diese Maßnahmen nach dem Dafürhalten westlich-medizinischer Kriterien als ineffektiv, wenn nicht gar potentiell gefährlich gelten, so ist doch die Tatsache, dass sie die Betroffenen heilen, unbestreitbar. Die Klassifizierung und Behandlung der culture bound syndromes susto und latah erfolgt in ihrem kulturellen Kontext also nach völlig anderen Kriterien als den im Westen kulturell akzeptierten: denn während jene die Existenz von Geistern und die Möglichkeit eines Seelenverlustes aufgrund der Heimsuchung durch böswillige Geister zur Grundlage haben, liegt westlichen Diagnosen das medizinisch-westliche Weltbild zugrunde. Geister gibt es darin nicht; und auch nicht die Möglichkeit, dass ein Geist in eine Seele hineinfährt und sie fortan kontrolliert[39]. Der Glaube an übernatürliche Kräfte und Geister existiert jedoch in vielen Kulturen und sollte daher nach Ansicht vieler Fachleute dort zur Grundlage der Behandlung gemacht werden[40],[41] .
Beide Krankheiten, d.h., sowohl susto, als auch latah, würden nach den Kriterien der westlich-medizinischen Nosologie als Manifestationen einer PTBS interpretiert werden, da es in beiden Fällen ein belastendes Ereignis gab, das dem Auftreten seelischer und körperlicher Leidenssymptome vorausging. Eine solche Interpretation wird in der Ethnomedizin als „category fallacy“ (Kategorien-Fehlschluss) bezeichnet[42]. Ein category fallacy ist dann gegeben, wenn aufgrund der Ähnlichkeit des Erscheinungsbildes einer in einem bestimmten kulturellen Kontext auftretenden Krankheit zu einer aus einem anderen kulturellen Kontext bekannten Krankheit gefolgert wird, dass es sich demnach um dieselbe Krankheit handele. Ein solcher Fehlschluss kann jedoch zu völlig ungeeigneten, unter Umständen für die betroffene Person gar schädigenden Behandlungsmaßnahmen, führen. Hinsichtlich des oben genannten Beispiels würde das bedeuten, dass aufgrund der Fehldiagnose „PTBS“ psychotherapeutische Maßnahmen wie eine Gesprächstherapie als geeignete Behandlungsmethode betrachtet würden. Nun ist aber über erlittenes Leid zu sprechen und Erinnerungen an schmerzliche Erfahrungen wieder wachzurufen in vielen Kulturen ein absolutes Tabu. Tatsächlich wird sowohl in weiten Teilen Südasiens, als auch in weiten Teilen Süd- und Mittelamerikas argumentiert, dass es gefährlich ist, über vergangenes Unglück zu sprechen. Denn schließlich versetzt das Reden über das erlittene Leid die Seele erneut in Aufruhr und macht sie dadurch noch anfälliger für das Eindringen fremder, böser Geister. An susto und latah leidende Personen zum Reden über das erlittene Leid zu drängen, wäre somit höchst unbedacht, gar kontraproduktiv, da man dadurch den Heilungsprozess der betroffenen Person gefährdet. Im schlimmsten Fall würden durch die Durchführung einer vermeintlich heilenden Psychotherapie die PatientInnen kranker gemacht[43].
Wie anhand dieses Vergleiches von susto und latah mit der PTBS gezeigt wurde, dürfen ähnliche Krankheitsbilder seelischer Erkrankungen nicht dazu verführen, sie der westlichen Diagnose „PTBS“ unterzuordnen. Sowohl susto als auch latah sind eigenständige Krankheiten. Ihre Ursachen liegen in einer spirituellen Schwächung der Seele der Person, die das Eindringen böswilliger Geister ermöglicht. Die latah und susto typischerweise vorausgehenden Verlusterfahrungen (z.B. Tod eines Angehörigen) sind lediglich „begünstigende“ Umstände für die spirituelle Schwächung einer Person. Die Krankheit selbst ist eine tiefe, lähmende Furcht der Seele, bzw. gar die Übernahme der Seele durch böswillige Geister. Es handelt sich hierbei um Leiden, das sich durchwegs in spirituellen Dimensionen entfaltet. Diese sind kaum in den Begrifflichkeiten der westlichen, aufgeklärten und vom psychologischen Denken geprägten Gefühlslogik und Sprache zu fassen. Ein „Übersetzen“ in die dem Westen vertraute Denkweisen und Gefühlslogiken ist solange schwer zu vermeiden, wie die Gefühlslogik der betreffenden Menschen nicht intuitiv von dem „anderskulturellen“ Betrachter verstanden wird. Die spirituelle Schwächung der Person ist also die Krankheit, die es zu heilen gilt. Das Wiederherstellen ihrer spirituellen Stärke —eine Heilung— kann nicht vermittels eines erneuten Thematisierens der die Schwächung auslösenden Faktoren bewirkt werden. Dementsprechend eignet sich auch die Behandlungsmethode der auf kathartischen Grundannahmen basierenden Psychotherapie nicht. Allgemeiner gefasst, ist die Psychotherapie aufgrund ihrer Verwurzelung in westlichen Werten und Überzeugungen, die oftmals in Konflikt mit den kulturellen Praxen und Glaubensvorstellungen anderer, nicht-westlicher Kulturen stehen, für viele nicht-westliche kulturelle Kontexte nicht geeignet[44]. Es handelt sich also bei der Kritik an der Überzeugung, Psychotherapien seien der universale Königsweg zur Heilung seelischen Leides, keineswegs um theoretische Spekulationen oder um intellektuelle Grabenkämpfe. Daher erscheint es im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit prinzipiell sinnvoll, die „therapeutische Grundidee zu hinterfragen, [wonach] die Verbalisierung von Erfahrungen und Gefühlen zur Aufarbeitung traumatischer Erfahrungen dienlich ist“[45].
Die Frage bleibt: Wie hilft man den Menschen am besten?
Anstelle einer auf universalisierenden Fehlannahmen beruhenden Herangehensweise ist daher die differentialisierende Herangehensweise zu bevorzugen. Diese sieht sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass sie einerseits imstande sein zu muß, bestimmte, regional typische Denkweisen zu erkennen und zu subsumieren, andererseits dabei aber nicht essentialisierend oder stereotypisierend sein darf. Schließlich ist jede Kultur ist heterogen und birgt eine Vielzahl von Perspektiven und Denkweisen in sich. Diese stehen teilweise in Konflikt miteinander, teilweise ergänzen sie sich. Die Unterschiede innerhalb einer als „Kultur“ definierten Gruppe können dabei ausgeprägter sein als die zwischen Kulturen. Hinzu kommen die Auswirkungen der sich immer dynamischer entwickelnden Globalisierung, die sich in der Ausbildung weiterer Unterschiede innerhalb von Gemeinschaften manifestiert.
—Welche Herangehensweisen an seelisches Leiden könnten sich also dafür eignen, den Menschen zu helfen? Und gibt es eine Methode, die in der Lage ist, die oben genannten Probleme der psychologisierenden Fehldeutungen zu vermeiden? Anders gefragt: wie könnte es gelingen, die seelische Realität von Menschen nicht-westlicher Kulturen am ehesten zu erfassen und dann entsprechende Maßnahmen zur Linderung des Leidens zu ergreifen?
1. Selbstreflexion und Wissenserwerb bezüglich der westlichen Kultur
Da das Kernproblem westlicher Hilfsmaßnahmen in ihrer Prägung durch westliche, aufgeklärte und psychologisierende Denkweisen liegt, ist klar, dass zuvorderst das Erlernen einer kritisch-reflexiven Haltung zur westlichen Kultur steht, die eine Distanzierung von typischen Fehlannahmen derselben ermöglicht. Voraussetzung hierfür ist, die epistemologischen Grundlagen der westlichen Wissensordnung zu kennen und zu verstehen. Anhand von verbindlichen Trainingsmaßnahmen für die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen kann dies erreicht werden.
2. Ethnologisches und medizinethnologisches Wissen
Darauf aufbauend und unerlässlich ist der Erwerb konkreten ethnologischen und medizinethnologischen Wissens über:
· „local idioms of distress“ · culture bound syndromes: d.h., Krankheiten, die nur in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Kultur auftreten · je vorhandene kulturelle Denkweisen und Besonderheiten einer Region, eines Landes, oder einer Ethnie · die dortigen traditionellen Behandlungsmethoden und Umgangsweisen mit Leiden · die Bedeutung von Glauben / Religion, Mythen, Redensweisen und Identifikationsfiguren für die Aktivierung heilsamer Ressourcen · kulturspezifische Definitionen von „Familie“
Ein solcher Wissenserwerb ist klar von Trainingsmaßnahmen beispielsweise in „kultureller Kompetenz“ zu unterscheiden, da jene nicht die Prämissen westlichen Denkens hinterfragen, sondern lediglich bewirken, dass bestimmte, nicht-westliche kulturelle Charakteristika vermittels des Metasystems westlich-medizinischer Nosologie fehlgedeutet werden.
Konkret vor Ort handelnd bedeutet das:
· Keine medizinisch-psychologischen a priori- Annahmen mitbringen · kein „Übersetzen“ von seelischen Erkrankungen in die Begrifflichkeiten der Psychologie · seelische Erkrankungen gemäß der dort vorhandenen Nosologie verstehen lernen · keine psychotherapeutischen Behandlungsmethoden einführen · Keine trainings, keine Seminare in psychotherapeutischen Behandlungsmethoden für die Menschen vor Ort anbieten (bspw. Ausbildungen zum „trauma advisor“) · Mit Widerständen von westlich gebildeten locals (Ärzte/innen, Krankenpfleger/innen) rechnen, da das Prestige der westlich-medizinischen Lehre enorm hoch ist · Geeignete von ungeeigneten traditionellen Bewältigungsmechanismen und Behandlungsmethoden unterscheiden lernen und dementsprechend entweder fördern, oder nicht unterstützen · Bedenken, dass Reden über traumatische Erfahrungen praktisch immer falsch ist
3. Die Methode der sogenannten „Illness Narratives“ zur Annäherung an lokale Verständnisse von Leid, Genesung und Krankheit
Sprache ist das zentrale Element zum Erfassen und Verstehen der Welt. Das bedeutet, dass sich in der der Sprache das Verständnis der Menschen ihrer selbst ausdrückt, sowie dass vermittels Sprache die Deutung der Welt und der in ihr stattfindenden Ereignisse transportiert wird.
Daher erscheint die von G.U. Fernando verwendete Methode der Illness Narrative geeignet, um sich dem jeweiligen Verständnis der Menschen weitestgehend anzunähern. Diese Methode funktioniert so:
· Man bittet so viel wie möglich Menschen vor Ort darum, zwei (in der Länge unbefristete) Geschichten in ihrer eigenen Sprache zu erzählen. Sie sollen dabei an Personen denken, die sie kennen und denen Leid widerfahren war, denen es inzwischen aber wieder gut geht.
· Nachdem diese Erzählung beendet ist, bittet man den oder die ErzählerIn darum, nun eine Geschichte über eine Person zu erzählen, der es nach einem traumatischen Erlebnis nicht gut geht.
Ideal wäre hierbei, dass die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen kompetent in der jeweiligen Landessprache sind. Dies ist jedoch nicht immer möglich. Der Einsatz von Dolmetschern wäre unter dann der Bedingung ein gelungener Kompromiß, dass Begriffe und Konzepte, die nicht korrekt durch westliche Begrifflichkeiten erfasst werden können, ausführlich und detailliert von den Einheimischen erklärt werden.
Je mehr solcher Illness Narratives die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen kennenlernen werden, desto besser können sie verstehen, was vor Ort für die Auslöser und Ursachen von Leiden gehalten wird. Durch das Vergleichen der Inhalte dieser Erzählungen werden Ähnlichkeiten auffallen; es werden sich aber auch aufgrund von Variationen wichtige Unterschiede zeigen. Illness Narratives machen die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen mit den lokalen Ausdrucksformen von Wohlergehen und von Leiden vertraut. Auch werden sie mit traditionellen Heilungsvorstellungen vertraut werden. Soziale Netzwerke, Strukturen und die lokalen Definitionen von „Familie“ werden deutlich werden, wie auch Vorstellungen vom guten oder schlechten Funktionieren derselben. Auch lernen die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen lokale säkulare und spirituelle Überzeugungen und Glaubensvorstellungen kennen, sowie die den ihnen aus Perspektive der Einheimischen innewohnenden Möglichkeiten und Grenzen hinsichtlich von Heilungsprozessen.
Die Methode der Illness Narratives ermöglicht es Mitarbeitern westlicher Hilfsorganisationen also, das lokale Verständnis von den Ursachen von Leid, typische Manifestationen hiervon, wie auch die vor Ort existierenden Umgangsweisen mit Leiden kennen zu lernen. Ebenso befähigt diese Methode dazu, die innerhalb einer Kultur existierenden Unterschiede wahrzunehmen. Somit ist klar, dass die Methode der Illness Narratives trotz universaler Anwendbarkeit weder essentialisierend ist, noch oktroyierend im Sinne einer universalisierenden one-size-fits-all-Überzeugung. Vielmehr ist sie eine Methode, die in Kombination mit der o.g. kritisch-reflexiven Haltung zum westlichen Weltbild, sowie dem o.g. ethnologischem und medizinethnologischem Wissen die Mitarbeiter westlicher Hilfsorganisationen dazu befähigt, differenziert auf die Bedürfnisse von traumatisierten Menschen reagieren zu können.
Zusammenfassung
In diesem Artikel habe ich aufgezeigt, dass
1) die PTBS ein historisch junges Phänomen, oder anders ausgedrückt, eine „neue“ Krankheit ist. Das macht sie nicht weniger real. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die PTBS ein spezifisch westliches Krankheitsphänomen ist. Die Übertragung der Krankheitsdiagnose „PTBS“ auf andere kulturelle Kontexte geschah im Zuge der Entwicklungszusammenarbeit und wurde durch die Aufnahme der PTBS in den international gebräuchlichen Katalog ICD-10 möglich.
2) Die Diagnostizierung seelischer Krankheiten nach den Parametern der westlichen Nosologie in nicht-westlichen Kontexten ist jedoch kritisch zu bewerten. Die westliche Nosologie wird als ein universal gültiges Metasystem zur Diagnose und Behandlung körperlicher Krankheiten und seelischen Leidens aufgefasst. Da seelisches Leiden aber in kulturelle Bedeutungssysteme eingebunden ist, können westlich-medizinische Parameter, obschon sie hinsichtlich körperlicher Krankheiten funktionieren, dennoch nicht zur Diagnose seelischen Leidens angewendet werden. „Leiden“ wird überdies kulturell unterschiedlich definiert und manifestiert sich auch kulturell unterschiedlich. Die Krankheitsdiagnose „PTBS“ charakterisiert lediglich eine kulturspezifische —die „typisch“ westliche— Form seelischen Leidens und kann daher nicht als Schablone auf andere Kulturen übertragen werden.
3) Vom Konzept der PTBS ist jedoch sinnvoll und universalisierbar, dass belastende Erlebnisse, „Traumata“, Auslöser für seelisches Leiden sein können. Welche Erlebnisse als traumatisierend gelten, unterscheidet sich jedoch von Kultur zu Kultur mitunter erheblich. Die westliche Gefühlslogik beinhaltet bestimmte Erfahrungsdimensionen von Leiden, klammert jedoch andere Dimensionen der Traumatisierung aus; spirituelle Traumata werden beispielsweise nicht in der Definition „PTBS“ erfasst. Sie werden in der Folge nicht wahrgenommen, nicht akzeptiert, oder vermittels einer Umdeutung in psychologische Begrifflichkeiten fehlverstanden (category fallacy).
4) Die tatsächlich von der Bevölkerung genannten Bedürfnisse in Not- und Katastrophensituationen beziehen sich meist auf die Wiederherstellung existenzieller und materieller Sicherheiten, die sowohl in der Krisensituation selbst das Überleben garantieren, als auch langfristig ein gutes Leben ermöglichen sollen. Aufgrund der Priorisierung psychischer Bedürfnisse in westlichen Hilfsprogrammen und aufgrund der Gebundenheit dieser Programme an psychotherapeutische Vorgaben können diese Bedürfnisse oftmals nicht adressiert werden. Verhaltenstherapeutische Behandlungsmethoden erweisen sich aber nicht nur in Not- und Krisensituationen oft als unangemessen, sondern sie erscheinen in nicht-westlichen Kontexten meist nicht hilfreich zu seint: Im besten Fall sind sie nutzlos, im schlimmsten Fall machen sie krank. Ein prinzipielles Bevorzugen, d.h. Romantisieren, indigener Behandlungsmethoden und Bewältigungsmechanismen ist jedoch ebenso unangemessen.
5) Eine mögliche Lösung dieses Dilemmas liegt meines Erachtens in der Kombination von mehreren Elementen: 1. Selbstreflexion aufgrund der gründlichen Kenntnis der epistemologischen Grundlagen westlichen Wissens und somit auch westlicher Hilfsprogramme; 2. Erwerb ethnologischen und medizinethnologischen Wissens; 3. und die Anwendung der oben dargestellten Methode der „Illness Narratives“.
Literatur
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Privat:
Mitschrieb von der Kleinman lecture im Karl-Jaspers-Zentrum Heidelberg am 22.06.2011:
“Applying a Critical Sociology of Knowledge to Global Health and Transcultural Mental Health”.
[1] Watterson 2010: 2. “Post-traumatic stress disorder (PTSD) has become the common diagnosis, the lingua franca of human suffering, following wars and natural disasters”. Meine Übersetzung. [2] McDonald, L. 2002:7 “Psycho-social interventions and activities have since become an integral part of programs popular among donors and IOs.” [3] Ibid:2 3 Fassin & Rechtmann 2010: 2 [5] Siehe Holzer, G.-S. 2007; Pittwald, M. 2004 [6] Pittwald, M. 2004 [7]Rechtmann und Fassin konstatieren: “No one expresses surprise at the huge number of psychologists and psychiatrists present at the scene of tragedy“(2009: 2f). [8] Löchelt 2010: 19 [9] Fassin & Rechtmann: 34ff [10] Andere Bezeichnungen waren „shell shock“, „war syndrome“, „battle fatigue“ (Fassin & Rechtmann: 64) [11] Siehe Fassin & Rechtman 2010, Kapitel 1-4 “The Reversing of the Truth“ [12] Herausgegeben von der American Psychiatrists‘ Association (APA) [13] Die Diagnose „PTBS“ war allerdings nicht allein auf Krieg als Auslöser von seelischen Erkrankungen beschränkt. Vielmehr war Krieg nur eine von vielen möglichen traumatischen Erfahrungen, die zu dem Krankheitsbild PTBS führen könnten. Historisch bekannt als Auslöser von seelischen Erkrankungen waren ja bereits die oben genannten Arbeitsunfälle. Im Laufe der Jahre wurden noch weitere Arten traumatischer Erfahrungen als Auslöser einer PTBS identifiziert. [14] Watterson 2010: 2. “Post-traumatic stress disorder (PTSD) has become the common diagnosis, the lingua franca of human suffering, following wars and natural disasters” [15] „accounts of survivors are always accounts of the universal trauma archetype” J. Wilson in Fassin & Rechtmann 2009: 239f [16] In diesem Artikel werde ich nur verhaltenstherapeutische Methoden diskutieren; der Einsatz pharmakotherapeutischer Maßnahmen ist also nicht Gegenstand dieses Artikels. [17] Es würde zu weit führen, in diesem Artikel die Erörterung des Trauma-Konzeptes detailliert zu kritisieren. Die haben bereits viele Fachleute getan (siehe A. Young; D. Summerfield; D. Rechtman & R. Fassin etc.). Ich werde mich daher auf einige zentrale Kritikpunkte beschränken. Diese habe ich zum Teil Kerstin Löchelts Buch „Traumabearbeitung: Brücke zum Frieden?“ entnommen. [18] McDonalds, L. 2002: 27, siehe auch UNHCR Community-Services p.4 [19] Nyffenegger, Elisabeth and Luc Panier, “Concerning Psychiatry in Conflict Areas,” pp. 1-4: “[…] western therapeutic methods [are] considered inappropriate, useless in best cases and harmful in most others.” Meine Übersetzung. [20] Whyte, 1997: 81 in Fainzang & Haxaire 2011: 80 [21] Mitschrieb von der Kleinman lecture “Applying a Critical Sociology of knowledge to Global Health and Transcultural Mental health”, 22.06.2011 [22] Eyber 2002:30 in Löchelt 2010:36 [23]Löchelt 2010: 37 [24] „One problem that concerned WHO was programmes focusing solely on PTBS, which the agency believes has been wrongly considered to be the biggest mental disorder after a disaster. It warned other agencies not to waste precious time in building PTBS-focused services […]”. Ashraf H. 2005. Tsunami wreaks mental health havoc. Meine Übersetzung [25] Bereits 2002 veröffentlichte die WHO ein Buch, in dem traditionelle Behandlungsmethoden unterschiedlicher Kulturen vorgestellt werden, um auf die je kulturell vorhandenen Heilungsressourcen aufmerksam zu machen WHO Traditional Medicine Strategy 2002-2005 [26] We need to remember that the Western mental health discourse introduces core components of Western culture, including a theory of human nature, a definition of personhood, a sense of time and memory, and a secular sense of moral authority. None of this is universal“. Summerfield, D. 2005 “What exactly is emergency or disaster mental health?”; Hsg. WHO. Meine Übersetzung. [27] Watters, E 2010: 213 [28] Watters, E 2010: 187-248 [29] “Koro is considered to be a cultural-bound syndrome, characterized by the belief of retraction of the genitals into the abdomen and is associated with anxiety symptoms […]. It has been commonly reported from India and other Southern Asian countries. It often manifests as epidemics [4,5] though sporadic cases are also noted”. Kar, N., 2005 [30] “Korean syndrome characterized by anxiety and physical complaints, such as weakness, dizziness, poor appetite, insomnia. Dissociation may present. Attributed to possession by ancestral spirits.” Lim, R.F., Lu,F. 2005: Clinical Aspects of Culture in the Practice of Psychiatry: Assessment and Treatment of Culturally Diverse Patients. [31] “The clinical picture includes severe anxiety and hypochondriasis. The patient is preoccupied with the excessive loss of semen by nocturnal emissions. There is a fear that semen is being lost and mixed in urine.” Malhotra, Wig 1975. [32] Wird weiter unten im Text ausführlicher erläutert. [33] S.o. [34] Vgl. die Arbeiten von Summerfield 1999. [35] „latah and PTSD share certain features [however it is important not to incorporate] one category into the other or assuming an equivalence between the two“. von Peter 2008: 645. Zusatz in eckigen Klammern von mir. [36] ibid [37] von Peter, S. 2008: 645 [38] “Treatments include the consumption of orange blossom, brazil wood or marijuana teas. An oral solution of figs boiled in vinegar is also imagined to be somewhat therapeutic.” — Man beachte die herablassende Formulierung! http://en.wikipedia.org/wiki/Susto Zugriff am 06.06.2011 [39]Bestenfalls ließen sich im Westen solche Beschreibungen aus der —medizinisch nicht anerkannten und überdies gesellschaftlich stigmatisierten— Perspektive des Aberglaubens erklären. Schlimmstenfalls würde der Glaube an Geistbesessenheit oder das Hören von Stimmen von Verstorbenen als Psychose klassifiziert werden. [40] "For many ethnic groups, spiritual and natural forces can cause illness, and treatment should be based on those beliefs”. Taylor, R. 2005: 137. [41] Auch Kleinman vertritt diese Meinung: „We’ve failed to recognize religious bases of moral commitment to the world. We are enlightened, thus blind to religion” (Mitschrieb von der Kleinman lecture “Applying a Critical Sociology of Knowledge to Global Health and Transcultural Mental health”, 22.06.2011) [42] Kleinman prägte diesen Begriff 1977 [43] Diesen Effekt kennt man auch aus dem Bereich der Allgemeinmedizin; er nennt sich „iatrogene Krankheit“. [44] Siehe Summerfield, D. 2005 “What exactly is emergency or disaster mental health?”; Hsg. WHO [45] Löchelt 2010: 29